Die UN-Vollversammlung hat Anfang Dezember eine Resolution verabschiedet, die den Gedenktag für die Vertreibung der Palästinenser:innen im Zuge der Staatsgründung Israels, den Nakba-Tag, anerkennt. Unterstützer des Antrags waren die Vertretung der Palästinensischen Autonomiebehörde bei der UN sowie mehrere arabische Staaten, die seit einigen Jahren normalisierte diplomatische Beziehungen mit Israel anstreben. Was bedeutet dieser Schritt für die Palästina Solidarität in Deutschland und das anstehende Nakba-Gedenken in deutschen Städten?
Ein “Triumph” für die palästinensische Sache?
Palästinensische Aktivist:innen sprachen im Internet bereits von einem “Triumph der Palästinensischen Narrative”. Mit 90 Ja- zu 30 Nein-Stimmen hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen einer Resolution zugestimmt, die vorsieht, den 15. Mai 2023 offiziell als Gedenktag der Nakba zu begehen. Gegen die Resolution gestimmt haben neben Israel und den USA auch Deutschland und Österreich.
Der israelische UN-Abgesandte zeigte sich empört über diese Entscheidung und sieht darin einen frontalen Angriff auf Israels Legitimität. (hier mehr dazu). Immerhin ist der Nakba-Tag, der sich im kommenden Jahr zum 75. Mal jährt, nicht zu trennen von der Staatsgründung Israel im selben Jahr, 1948. Jedes Gedenken, jedes Sprechen über die Nakba (“Katastrophe”), als das, was sie ist, die ethnische Säuberung Palästinas, ist daher eine Entlarvung von Israels wahrem Charakter als kolonialer Siedlerstaat. Da Israels Geschichte als Staat mit der Nakba begann, also mit Vertreibung und Landraub, sind kolonialer Rassismus und Unterdrückung für das Land essenziell. Es war von jeher bemüht, diesen Charakter zu verdecken und sich die Fassade eines zivilen und demokratischen Staates zu geben.
Wie sich Israel vehement gegen die Aufdeckung dieses Widerspruchs wehrt, zeigt sich jetzt auf der großen diplomatischen Weltbühne. Was bedeutet diese Entscheidung nun aber für die Palästina-solidarische Bewegung in Deutschland? Es hat sich insbesondere in den letzten zwei Jahren gezeigt, dass der Deutsche Staat mit seinen Repressionsorganen palästinensische Gruppen in besonderem Maße ins Visier nimmt (hier mehr dazu).
Skepsis ist geboten
Angesichts dessen sollte man auf die Nakba-Resolution der UN nicht allzu euphorisch reagieren. Skepsis ist alleine schon deswegen geboten, da es sich bei der UN um einen globalen Zusammenschluss kapitalistischer Regierungen handelt, die in Organen wie der Vollversammlung oder dem Sicherheitsrat ihre Widersprüche aushandeln und zwischen ihnen zu vermitteln versuchen. Die palästinensische Delegation bei der UN äußerte zudem die Hoffnung, dass mit der Nakba-Resolution und einer Reihe weiterer Beschlüsse zur Palästinafrage die Perspektive einer Zwei-Staaten-Lösung wieder greifbar werde. Bei einer ernsten Beobachtung der Situation in Palästina sollte jedoch klar werden, dass die Möglichkeiten für die Palästinenser:innen, über diesen Weg zu staatlicher Selbstbestimmung zu gelangen lägst dem kolonialen Expansionsdrang Israels in das Westjordanland hinein zum Opfer fielen. Die Illusion der Zwei-Staaten-Lösung, unter deren Aufrechterhaltung seit über 20 Jahren eine Verwaltung des Elends in Palästina betrieben wird, wird auch zunehmend zur offiziellen Haltung mehrerer arabischer Staaten wie den Emiraten oder Marokko, die im Gegenzug für eine stärker Westanbindung bereit sind, Israel als Staat anzuerkennen. Diese Länder hatten unter diesen Umständen kein Problem damit, einer vermeintlich „pro-palästinensischen“ und “anti-israelischen” Resolution zuzustimmen. Die damit verbundenen Forderungen sind in der Realität nämlich sehr bescheiden und letztlich illusorisch.
Die Repression bleibt unsere Kampfbedingung
Der 15. Mai 2023 liegt noch einige Monate in der Zukunft und keiner weiß, welche symbolischen Maßnahmen die UN an diesem Tag ergreifen wird. Uns sollte aber klar sein, dass die Begehung des Nakba-Tages als einen revolutionären Gedenktag nie das Anliegen von kapitalistischen Regierungen und deren Institutionen sein kann. Gerade in Deutschland muss uns bewusst sein, dass es die Palästina-solidarische Bewegung auf den Straßen unserer Städte ist, die am Nabab-Tag einen revolutionären Ausdruck realisieren muss. Angesichts dessen haben Deutschlands Innenminister:innen auch schon härtere Repressionsmaßnahmen gegen diese Bewegung angekündigt.
Eine UN-Resolution wird nichts daran ändern, was für Aufgaben für den Nakba-Tag 2023 vor uns liegen und dass dabei die Repression unsere Kampfbedingung ist.